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Den vorhandenen Sinn entdecken

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Magazin Impulse - Okt. 2017

Ein Anker zur Lebensbewältigung

Den Titel unseres Heftes „Binde deinen Karren an einen Stern“ gab die österreichische Psychotherapeutin Elisabeth Lukas auch einem ihrer Bücher. Was ich darin entdeckt habe, ein paar Hintergründe und persönliche Gedanken möchte ich gern mit Ihnen teilen. Die Logotherapie (Logos = Sinn) wird auch sinnzentrierte Psychotherapie oder Existenzanalyse genannt. Sie geht als 3. Wiener Schule der Psychotherapie auf Viktor Emil Frankl (1905-1997) zurück und ist weltweit anerkannt. Elisabeth Lukas führte als bedeutendste Schülerin Frankls dessen Lebenswerk fort. Heute ist sie 75 Jahre alt. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen wurden in viele Sprachen übersetzt. Daran zeigt sich das große Interesse an sinnorientierten Denk- und Gesprächsansätzen. 

Immer wieder begegnen uns Menschen, die keinen Sinn in ihrem Leben sehen. Entweder nicht mehr - nachdem sie Entscheidendes verloren haben. Oder, und das trifft leider besonders für junge Menschen zu, schon von Anfang an. Es ist für uns nicht leicht, diesen Menschen gegenüber zu treten. Denn wir spüren: mit einem gefühlten Sinnvakuum lässt sich das Leben nicht gut gestalten. Viktor Frankl nannte es ein „existenzielles Vakuum“. Er sah dies als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen an und sagte: „Tatsächlich sind wir heute ... mit einer existentiellen Frustration konfrontiert.“ 

Die Stimmung in Deutschland ist momentan auch von dieser existentiellen Frustration geprägt. Wie können wir bei seelsorgerlichen Gesprächen, in der Frauenarbeit und in unseren Familien Menschen begegnen, die am Sinn zweifeln?Natürlich haben wir mit dem Inhalt unseres Glaubens den allerbesten Sinn anzubieten: Gott zu vertrauen und uns einfügen zu lassen in seine Absichten mit der Welt. Was wünschten wir uns mehr, als gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit Jesus als unsern gefundenen Sinn suchenden Menschen ans Herz zu legen.

Aber Vorsicht! Je grundsätzlicher das Sinnvakuum ist, desto schwerer kann es für unser Gegenüber sein, dieses Angebot für sich persönlich zu ergreifen. Behutsamkeit und Einfühlung können uns helfen, uns in die Perspektive des Betroffenen zu begeben. Elisabeth Lukas ist eine Meisterin dieser Fähigkeiten, das wird an zahlreichen Fallbeispielen deutlich.

In Sinnfindungsgesprächen wird dem Klient nicht Daseinssinn gegeben – sozusagen weitergereicht. Es wird ihm geholfen, selbst Sinn zu finden. Dafür ist es zuerst notwendig, seinen Gesichtskreis für Lebenswerte zu öffnen, damit er das volle Spektrum von Sinnmöglichkeiten sieht.

Elisabeth Lukas gibt verständliche und Mut machende Anregungen dazu. Schon im Vorwort wird deutlich, wie gut Leonardo da Vincis bildhafter Ausspruch „Binde deinen Karren an einen Stern“ zur Logotherapie passt. Das Buch will helfen, an die „Sterne“ anzubinden, die uns leuchten. Denn „im Sinnvakuum erlischt die Freude.“

Im Folgenden greife ich einige Anregungen auf, die mich persönlich ansprechen. Diese Gliederung entspricht nicht der des genannten Buches.

Stern 1: Einander zuliebe

Was zieht noch, wenn alles verdorben und verloren erscheint? Was macht dann Sinn? E. Lukas berichtet von einer Frau, die selbst Missbrauchsopfer ist und ihr dreijähriges Kind mit einem heißen Bügeleisen misshandelt hatte. Nachdem ihr das Kind entzogen war, wurde es für sie ein neuer Sinn, „Alex zuliebe“ auf aggressive Impulse zu verzichten um eine gute Mutter zu werden. „Alex zuliebe“ stellte sie ihr gesamtes Leben um. Das überzeugte sogar das Jugendamt, als ihr zweites Kind geboren wurde.

Stern 2: Ruinen geben den Blick frei für den Himmel

E. Lukas greift damit ein Bild auf, das V. Frankl verwendete. Er warb dafür, Gebete, die Menschen in Not plötzlich sprechen, nicht geringschätzig als Gebete zweiter Wahl zu degradieren. Gerade Menschen mit einem schweren Schicksal und durchkreuzten Lebensplänen könnten in ihren Lebensruinen den Blick „für den Himmel“ entdecken und durch diesen Gedanken ein wenig aufgerichtet werden. Aus dem Bitten und Klagen kann später vielleicht ein reifes Bittgebet werden in der Form: „Aber auch, wenn alles anders kommt, als ich mir wünsche, will ich fest darauf vertrauen, dass du, Gott, es gut mit mir meinst und neue Wege auftust.“ Darüber hinaus stellt E. Lukas fest, dass Dankgebete grundsätzlich „unvergleichlich bekömmlicher sind, als Bittgebete“.

Stern 3: Das Beugen vor dem Geheimnis

Auch dieser Begriff stammt von Frankl selbst. Diese Grundhaltung hilft uns, unsere Warum-Fragen zu stoppen. E. Lukas meint, dass selbst trotz großen persönlichen Kummers und nicht zu entschlüsselnder Rätsel im Leben jedes Einzelnen auch die Gnade irgendwo auffindbar ist. Und dass wir uns als Menschen nicht in der fragenden, sondern in der antwortenden Position befinden. „Wir sind die „Antwortenden“, die Antwort geben müssen auf die Fragen, die das Schicksal stellt. Und da lassen sich ganz hervorragende Antworten finden, sogar auf schwierige Fragen. Die „Fragen“ sind Gottes, die „Antworten“ unser.“

Stern 4: Der Sinn des Lebens

Unser persönlicher Sinn im Leben kann brüchig werden und sich verflüchtigen.
Der „Sinn des Lebens“ ist immer da, weil er gegeben wurde und unser Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug „von Sinn durchweht ist“.
Für E. Lukas ist das eine tröstliche Erkenntnis, mit der wir uns begnügen können...

Stern 5: Urvertrauen in das Leben

Ängste und Negativphantasien lähmen nicht nur für die Bewältigung des Lebens, sie bereiten negative Ereignisse regelrecht vor. Der Ängstliche spielt ihnen sozusagen in die Hände. Ganz anders wirkt sich der Vertrauensvorschuss aus - ein tiefgehendes Vertrauen in das Leben schlechthin. E. Lukas spricht vom „bewussten oder unbewussten Bezug der Person zu ihrem Schöpfer.“ Was bewirkt es, wenn jemand davon ausgeht, dass er getragen, gehalten und bewahrt ist, und zwar allen widrigen Umständen zum Trotz? Derjenige fühlt sich motiviert, sich von düsteren Gedanken zu verabschieden und sein Leben schwungvoll in die Hand zu nehmen. Dieser Mensch lebt aus einer Gunst heraus, die ihm keiner rauben kann und fühlt sich gestärkt zur Eigenverantwortung.

Stern 6: Über die Schuld hinauswachsen

Die Ausdrucksweise „über sich selbst hinauswachsen“ kennen wir. Aber: „über die Schuld hinauswachsen“? Damit ist eine reife und angemessene Reaktion auf das Geschehene gemeint, ein besser machen oder wiedergutmachen. Damit kann aus schuldhaftem Handeln ein Reifeschritt der gesamten Person werden.

Stern 7: Wertezuwachs im Leiden

Es ist eine Illusion, zu meinen, im menschlichen Leben könnte „ein Dauerzustand intensiven Wohlbehagens erwartet werden“. Die meisten Leiderfahrungen sind nicht zu umgehen, sie können für unser Leben allerdings positive Auswirkung haben. In Krisensituationen treten neue Werte zu tage, für die zu leben sinnvoll ist. Das könnte bedeuten, den Fokus selbst in einer schweren Krankheit oder schlimmen Tragödie darauf zu richten, welche Werte der Betroffene jetzt leben kann – wie zum Beispiel Treue oder Vergebung, innere Stärke oder Gelassenheit. Denn das Leben hat einen bedingungslosen Sinn, den es unter keinen Umständen verliert!


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