Zum Hauptinhalt springen

"Hätte ich doch..." Schuldgefühle

| Aktuelle Beiträge

FamilyNEXT - Mai 2018

Eltern haben oft Schuldgefühle. Anregungen zum Umgang damit von  Christina Ott.

Beitrag als PDF lesen

Schuldgefühle bei Eltern sind keine Seltenheit. Besonders Mütter scheinen dafür empfänglich zu sein. Vielleicht, weil sie in der Regel besonders viel Lebensenergie und innere Kraft in die Erziehungsaufgabe investiert haben. Beziehungsthemen sind für Frauen wichtig und bleiben es, auch wenn die Kinder das Haus verlassen haben. Männer dagegen neigen weniger zur selbstkritischen Rückschau, sie sind sach- und lösungsorientiert. Außerdem liegt es ihnen meist nicht, ihre Gefühle und Selbstzweifel auszudrücken. Trotzdem können Schuldgefühle unterschwellig da sein.

Selbstvorwürfe

Wie ist es mit Ihnen? Werden Sie oder Ihr Partner gelegentlich von quälenden Gedanken und Selbstvorwürfen eingeholt? Wie zum Beispiel:

  • „Ich habe mich einfach nicht genug um unser Kind gekümmert…“
  • „Ich hätte mehr Zeit für meine Kinder haben sollen, anstatt so viel Zeit und Kraft in meinen beruflichen Aufstieg zu investieren…
  • „Ich hätte meine Frau nicht so oft mit den Erziehungsaufgaben allein lassen dürfen...“
  • „Ich war zwar rein äußerlich bei meiner Familie, aber innerlich oft nicht wirklich anwesend. Ich habe mich mehr mit der Gemeinde, den Sorgen anderer und meiner angeschlagenen Gesundheit beschäftigt, als mit meinen Kindern…“
  • „Ich war zu ungeduldig und zu impulsiv…“
  • „Ich hätte nicht meine eigenen ehrgeizigen Ziele auf das Kind übertragen dürfen…“
  • „Ich hätte mich nicht so oft und lautstark mit meinem Partner streiten dürfen…“

Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Allen gemeinsam ist das Gefühl, das daraus entsteht: Lähmung, Traurigkeit und Selbstabwertung.

Das Elternwerden zugetraut

Ja, alle Eltern haben Fehler gemacht. Jeder Vater ist unvollkommen. Und jede Mutter ist ihrem Kind/ihren Kindern etwas schuldig geblieben. Ich auch. Weil Mütter nicht perfekt sind. Und das ist gut so. Es ist tatsächlich genug, eine ausreichende Mutter zu sein . Auch in Gottes Augen disqualifiziert uns das nicht. Er kennt unsere Grenzen und hat uns trotzdem das Mutterwerden zugetraut. Sonst hätte sicher schon Urmutter Eva den Eignungstest für Mutterschaft nicht bestanden… Das gilt auch für die männliche Seite. Denn einige biblischen Patriarchen wie Jakob eignen sich wahrlich nicht für glänzenden Vätervorbilder.
Erstaunlicherweise hat der Schöpfer in unsere Kinder enorme innere Kräfte gelegt, mit deren Hilfe sie trotz unserer Eltern-Mängel zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten heranwachsen können.
Mit dauerhaften Schuldgefühlen verschließen wir davor die Augen. Wir trauern dem nach, dass wir nicht perfekt sind und nehmen uns selbst zu wichtig. Wir binden unsere Kinder und ihre Entwicklungsmöglichkeiten an unseren Einfluss. Wir halten sie in ihrer Entfaltung fest und trauen Gott zu wenig zu.

Schuldgefühle oder Schuld?

Schuldgefühle sind allerdings zu unterscheiden von Schuld. Schuld meint ein klar benennbares Fehlverhalten unseren Kindern gegenüber. (z.B. ein nicht eingelöstes Versprechen; die Beschämung unseres Kindes vor anderen Menschen durch abwertende Worte; eine falsche Verdächtigung.) Wenn etwas Ähnliches in Ihrer Familie vorkam, gestehen Sie Ihr Fehlverhalten ein und bitten Sie Ihr Kind dafür um Verzeihung. Eventuell könnten Sie eine konkrete Handlung als Form der Wiedergutmachung anbieten, die sich Ihr Kind aussuchen darf.
Was ist bei Schuldgefühlen anders? Sie sind allgemein, subtil und legen sich wie ein grauer Schleier über die gemeinsam erlebte Familienzeit. Sie lähmen für die Gegenwart. Sie trauern Lebensentscheidungen nach, die nicht mehr zu ändern sind. Infolgedessen verschwindet die Dankbarkeit für das, was trotz aller Unvollkommenheit der Eltern doch aus unseren Kindern geworden ist. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen: Wie unsere Kinder an unseren Grenzen vorbei kühn Fähigkeiten entwickelt haben, über die wir nur staunen könnten. Dass sie uns unsere Mängel nicht einmal vorwerfen, weil sie uns einfach lieben.

Den Zutritt verweigern

Wenn dann die Schuldgefühle anklopfen, verweigern Sie ihnen den Zutritt. Bringen Sie sich gedanklich auf eine ganz andere Schiene, indem Sie sich fragen: „Was kann ich jetzt sinnvolles für die Beziehung zu meinem Kind/meinen Kindern tun? Was ist jetzt dran? Wie kann ich sie unterstützen und ermutigen?“ Interessanterweise treten Schuldgefühle in den Hintergrund, sobald man entschlossen ist, sich jetzt sinnvoll zu verhalten - und es auch tut.
Gleichzeitig dürfen Sie Ihre Unsicherheit in ein Gebet fassen mit der Intention: „Gott, du hast gemeint, dieses Kind wäre bei uns gut aufgehoben, deshalb hast du es uns anvertraut. Ich danke dir für diesen wunderbaren Menschen, durch den du uns beschenkt hast. Bitte gleiche selbst aus, was ich schuldig geblieben bin. Stelle ihm/ihr Menschen an die Seite, die ein Segen sind. Stärke unser Kind in der Entwicklung der Persönlichkeit und des Glaubens.“ Setzen Sie ruhig den Namen Ihres Kindes ein, den sie liebevoll aussprechen.

Mit Vorwürfen umgehen

In selteneren Fällen gibt es die umgekehrte Situation: Erwachsene Kinder machen ihren Eltern permanent Vorwürfe, obwohl diese ihr Bestes gegeben und schon mehrfach um Verzeihung gebeten haben. Das kann sehr zermürbend sein. Möglicherweise verbirgt sich dahinter ein psychologisches Phänomen: Diese Kinder machen lieber andere verantwortlich für die Defizite ihres Lebens, als selbst Verantwortung zu übernehmen, an Veränderungen zu arbeiten und professionelle Hilfe zu suchen. Wenn Sie das betrifft, dann fassen Sie Mut zu einer neuen Haltung. Lassen Sie sich keine Schuldgefühle einimpfen. Sie können Ihrem Kind sagen: „Es tut mir wirklich leid, dass du mein Muttersein/mein Vatersein so negativ erlebt hast. Ich habe dich immer geliebt und gegeben und getan, was ich konnte – natürlich mit meinen Mängeln und Defiziten. Ich traue dir trotz allem zu, dass du die Kraft hast, zu verarbeiten, was dich verletzt hat und ein reifer und eigenverantwortlicher Mensch zu werden. Wenn ich dich mit irgendetwas unterstützen kann, lass es mich wissen.“ Und dann - üben Sie sich im Loslassen und wenden Sie sich anderen wichtigen Dingen in Ihrem Leben zu, für die Sie Ihre Kraft sinnvoller einsetzen können. Begleiten Sie Ihr Kind im Gebet - vielleicht mit ähnlichen Worten wie oben beschrieben - und trauen Sie ihm zu, dass es eigene Lösungen finden wird.

Gegenseitig entlasten

Es ist hilfreich, die Schuldgefühle gegenüber den Kindern mit seinem Partner zu besprechen. Hier ein paar Anregungen, wie Sie als Paar damit umgehen können, wenn einer von Ihnen unter Schuldgefühlen leidet:

Bleiben Sie im Gespräch über diese Themen. Gönnen Sie sich dabei die innere Freiheit, dass jeder von Ihnen die Vergangenheit und auch die aktuelle Situation unterschiedlich bewerten darf.
Gehen Sie verständnisvoll aufeinander ein. Für den Partner mit Schuldgefühlen ist es nicht hilfreich, wenn ihm jemand sagt, dass es alles nicht so ist, wie er fühlt…
Entlasten Sie sich gegenseitig. Der stabilere Partner darf dem besorgteren Partner zusprechen, dass Sie gemeinsam sehr vieles in der Vergangenheit gut gemacht haben für Ihre Kinder. Weisen Sie sich gegenseitig auf Fortschritte und positive Entwicklungen hin, die Sie heute bei Ihren Kindern sehen.
Widerstehen Sie der Versuchung, aus den Schuldgefühlen des Partners Kapital zu schlagen und sich einen Vorteil zu verschaffen in der Beziehung zu Ihrem Kind. Das kann verlockend sein. Aber es geht nicht darum, wer der „bessere“ Elternteil ist. Es geht darum, wie Sie heute gemeinsam klug und liebevoll als Eltern agieren.
Gestalten Sie Ihre Partnerschaft so schön und entspannt wie möglich, denn Sie verbindet mehr, als nur das Elternsein. Vielleich ist es an der Zeit, dies wieder zu entdecken. Oder etwas in die Verbesserung der Partnerschaft zu investieren.
Vertrauen Sie Ihre Sorge und Traurigkeit gemeinsam Gott an. Er hat Ihr Kind im Blick und im Herzen. Ganz sicher!  

Melde Dich zu meinem [Newsletter] an und lass Dich inspirieren. Ich poliere kleine Fundstücke des Alltags und halte sie ins Licht der Psychologie und des christlichen Glaubens, bis sie beginnen zu funkeln.

Zum Newsletter hier anmelden.

Zurück